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Aktuelle Gedanken

Wort zum Mittwoch, 08.05.2024

Michael Nachtrab,
Pfarrer in Partenstein

Nur ein Gebet weit

Drei Dinge sind aus dem Paradies geblieben: Sterne, Blumen und Kinder (Dante). Natürlich weiß ich, dass Kinder in all ihrer paradiesischen Unschuld auch zu kleinen Ungeheuern mutieren können, zumal wenn sich in der Schule und während des Unterrichts ihre ganze ungebändigte Kraft über mir entlädt und ich mit Urgewalten zu kämpfen habe. Kinder sind anstrengend, fordernd, aber auch umwerfend in der einfachen Schönheit ihrer Gedanken. Da erklärt mir ein neunjähriges Mädchen das Gebet: „Wenn ich bete, halte ich Gott mein Herz hin.“ Das habe so noch nie gehört. Das ist Poesie. Ein Bild wie aus dem Paradies. Und es beschreibt das Wesen, den innersten Kern des Betens. Ich öffne mein Leben für Gott, falte mich auf wie eine Blüte unter den Strahlen der Sonne. Ich lasse das Licht einströmen in jeden Winkel meiner Seele. Und es wird sichtbar, was da alles webt und lebt. Gedanken voller Schönheit und Wärme. Dankbarkeit, Liebe. Das Licht fällt auch auf das, was gerne im Dunklen bleiben möchte. Bedeckt und verborgen. Und dennoch wirklich. „Verschwiegene Wahrheiten werden giftig“, schrieb Nietzsche. Bedrängende Sorgen, lastende Schuld, lähmende Angst. Ich halte Gott mein Herz hin und damit all das Gute und Böse in meinem Leben. Ich erzähle es ihm und selbst wofür ich keine Worte habe, hat er einen liebevollen, vergebenden Blick. Es gibt sogar einen ganz konkreten Ort, wo die Begegnung meines Herzens mit diesem Gott sich ereignen kann: das Kreuz Jesu Christi – der „von Gott selbst geschaffene Kraftort der Befreiung“ (Christian Ottemann). Auf einem Zettel an der Gebetswand in der Nürnberger St. Sebalduskirche ist zu lesen: „Lieber Gott, ich stehe in einem deiner Häuser. Die Kraft, die hier von dir ausgeht, ist besonders stark. Schon dadurch ist mir geholfen.“ Kirchen sind besondere „Kreuzorte“. Gestalt gewordener Glaube, Orte der Stille und der Kraft. Das Haus, in dem Gott uns dient. Und dennoch gilt das schöne Wort von Nelly Sachs: „Gott ist immer nur ein Gebet weit von uns entfernt.“ Hier und jetzt.

Michael Nachtrab, Pfarrer in Partenstein